Report Datenbank php 7.x aufrufen Stapellauf "PROSPEKTA"
Rundschau Nr.39, 1970
Stapellauf SV PROSPEKTA
Unser neues Schiff ist am Dienstag, dem 21. April 1970, glücklich vom Stapel gelaufen.

Zum Stapellauf hatten eingeladen:
      Die Werft D. W. Kremer Sohn, Elmshorn,
      und die
      Partenreederei 1143:
      PRAKLA GMBH, Hannover
      D. G. NEPTUN, Bremen

Die geladenen Gäste trafen bei strömendem Regen, der während der ganzen Zeit des Festaktes andauerte, gegen 16.00 Uhr auf dem Werftgelände ein.

Frau Ruth Martini taufte das Schiff mit- folgendem Spruch:
"Ich taufe Dich auf den Namen PROSPEKTA und wünsche Dir, dem Kapitän und der Besatzung gute Fahrt auf allen Meeren und allzeit glückliche Heimkehr!"
Stapellauf SV PROSPEKTA
Anschließend fand ein Empfang im Hotel Royal, Elmshorn, statt, zu dem die Werft D. W. Kremer Sohn geladen hatte. Das hervorragende kalte Büfett (siehe Aufnahme) und die gereichten Getränke ließen das schlechte Wetter bei zunehmend lebhafter Unterhaltung bald vergessen.
Zu Beginn der abendlichen Feier richtete Dr. R. Garber, als hauptbeteiligter Geschäftsführer, folgende Worte an die Gäste:
"Sehr verehrte Frau Martini, meine Damen und Herren!
Für Geophysiker ein geeignetes Schiff zu bauen, ist mit Sicherheit eine besonders schwierige Aufgabe, nicht etwa deshalb, weil dieses Schiff dazu bestimmt ist, Fracht oder Passagiere von einem Hafen zu einem anderen zu fahren, sondern weil es als Arbeitsfahrzeug dienen muß.
Stapellauf SV PROSPEKTA
Es gibt viele Arbeitsfahrzeuge für viele Zwecke. Unsere Schwierigkeit bestand darin, daß hier ein schwimmender Untersatz für wissenschaftliche Untersuchungen geschaffen werden sollte, deren Methodik sich ständig weiterentwickelt und deren technische Hilfsmittel nicht nur laufend verbessert, sondern oft genug grundlegend geändert werden müssen. Das Schiff soll - und das kann bei einem kostspieligen Objekt dieser Art kaum verwundern - den ständigen Änderungen der Meßverfahren angepaßt werden können. Es soll, um es ganz kurz zu sagen, noch in zehn Jahren modern sein.
Dieser Wunsch hat uns veranlaßt, extreme Forderungen an die Konstruktion dieses Schiffes zu stellen, ja diese Forderungen sogar im Laufe der ersten Bauphase bereits wieder zu ändern. Dieser Wunsch hat uns weiter veranlaßt, die im Schiffsbau ohne Zweifel in reichem Maße vorhandene Erfahrung mit großer Vorsicht nur dort zu akzeptieren, wo sie der Anwendung einer modernen Technik nicht entgegensteht. Wir wissen, daß wir es allen am Bau beteiligten Stellen, voran der Werft, aber auch den Aufsichtsbehörden, mit unseren manchmal ungewöhnlichen Problemen, nicht leicht gemacht haben. Bitte, haben Sie Verständnis für uns. Wir hatten keine Zeit, uns auf die Erfahrungen einer fünftausend Jahre alten Schiffsbaukunst zu stützen. Unsere Wissenschaft ist gerade 50 Jahre alt und wir waren daher frei von allen Rücksichten auf die Vergangenheit.

Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch meinen Dank aussprechen. An erster Stelle Herrn Professor Martini, der das Projekt dieses Neubaus mit der ihm eigenen Energie vom ersten Augenblick an gefördert hat, der Geschäftsführung und den Mitarbeitern der Dampfschiffahrtsgesellschaft NEPTUN für die angenehme Zusammenarbeit, für das ständige Bemühen um Verständnis für unsere Belange und für den fachlichen Rat, sodann aber der Werft, die sich immer wieder bemüht, unseren Wünschen gerecht zu werden und schließlich den Bauaufsichtsbehörden, die unsere zahlreichen Sonderwünsche mit bemerkenswerter Geduld ertragen haben.
Nicht zuletzt aber gilt mein Dank Ihnen, Frau Martini, für die guten Wünsche, die Sie dem Schiff bei seinem Ablauf vom Helgen mitgegeben haben.

Darf ich Sie bitten, mit mir ein Glas zu leeren in dem Wunsch, daß das Werk so gut beendet werden möge, wie es begonnen hat."
Stapellauf SV PROSPEKTA
Im Anschluß sprach Herr I. Willhöft, Mitglied des Vorstandes der Dampfschiffahrtsgesellschaft NEPTUN. Wir geben seine Rede in einigen Abschnitten wieder:

"Was bedeutet eigentlich ein ,Stapellauf'? Der ,Stapel' kann ein Berg von Ungeordnetem sein, welcher, richtig zusammengefügt, ein Ganzes und Nützliches ergibt. Einen ,Stapel' nennt man jedoch auch ein Gerüst, welches dem entstehenden Schiff auf dem Helgen seinen Halt gibt. Der Lauf vom ,Stapel' ist also die Befreiung des Schiffes von diesem stützenden Halt. Der Moment, in welchem das Schiff zu Wasser gelassen wird, kann somit, in übertragenem Sinne, durchaus mit einer Neugeburt verglichen werden. Der Neubau wird erstmals ungeheuren Spannungen ausgesetzt, wenn das Achterschiff Kontakt mit dem Wasser bekommt und das Vorschiff sich noch auf dem Helgen befindet. Es durchläuft in wenigen Minuten seine erste größte Belastungsprobe, bevor es sich in seinem Element - dem Wasser - befindet, welches es normalerweise zeit seines Lebens nur alle vier Jahre zu Klassifikationsarbeiten wieder für wenige Tage verläßt. Für die Reederei und die Werft ist es also im wahrsten Sinne des Wortes eine Geburt, denn wie viele Sorgen und Nöte haben die an dem Bau Beteiligten von der Kiellegung bis zum heutigen Tage durchlebt, welche Planungen waren erforderlich und wie oft haben sich im Verlaufe der letzten Monate die Beteiligten gefragt, ob das, was man dort zusammenbastelte, auch tatsächlich lebens-, das heißt schwimmfähig, sein würde.
Stapellauf SV PROSPEKTA
Wie war es nun bei unserer ,PROSPEKTA'?

Man könnte fast sagen, es fing alles ganz harmlos an. Die ,PRAKLA' und die ,NEPTUN' kamen sich in den Jahren 1966 bis 1968 dadurch näher, daß die NEPTUN-Schiffe ,JASON' und ,POLLUX' - entsprechend umgebaut - bei der PRAKLA Beschäftigung für die seismische Meeresforschung fanden.

Als Herr Dr. Garber und Herr Paul mich am 19. Dezember 1968 anläßlich eines Empfanges zu Ehren von Herrn Dr. Zettel in der Festhalle des Messegeländes von Hannover ins, Vertrauen zogen, daß man im Hause der PRAKLA ernsthafte Überlegungen anstelle, ein eigens für die seismische Meeresforschung bestimmtes Schiff zu konzipieren, glaubte zumindestens ich noch nicht daran, daß dieses der Grundstein für ein gemeinsam zu bauendes Meeresforschungsschiff sein könnte. Freudig sagte ich jedoch seinerzeit zu, der PRAKLA die Erfahrungen der NEPTUN im Schiffbau oder beim Ankauf eines geeigneten Schiffes zur Verfügung zu stellen.

Es wurde entwickelt und wieder verworfen, es wurde gezeichnet, geändert, kalkuliert, diskutiert, es flossen zwar keine Tränen, jedoch bestimmt viel Schweiß. Sehr treffend wurden die auf gewandten Mühen in der 36. Ausgabe der Hauszeitschrift der PRAKLA•SEISMOS geschildert unter der Schlagzeile, Wir bauen ein Schiff'.
Stapellauf SV PROSPEKTA
Heute können wir zu unserer großen Freude sagen, das erste Stadium ist glücklich beendet, das Schiff schwimmt, und ich hoffe, daß das Forschungsschiff ,PROSPEKTA' auch während der Ausrüstungszeit in den kommenden Wochen von allen Beteiligten wie ein Neugeborenes gepflegt und behandelt wird, um es in die Lage zu versetzen, den Aufgaben gerecht zu werden, die die Partenreederei in ihren gemeinsamen Neubau F/S ,PROSPEKTA' gesetzt hat.

Es ist mir andererseits eine besondere Freude, daß gerade die hochautomatisierte ,PROSPEKTA' das erste Schiff im Zuge der planmäßigen Erweiterung der Betätigungsbereiche der NEPTUN sein wird. F/S ,PROSPEKTA' mit ihren modernsten Anlagen, für uns insbesondere auf dem Gebiet der Navigation, wird für unsere künftigen Schiffbauplanungen ein wertvoller Beitrag für weitere Erkenntnisse in der Automation sein.

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, den Herren der PRAKLA, Gesellschaft . für praktische Lagerstättenforschung GmbH, Hannover, zu danken für das Vertrauen, diese neuzeitliche Entwicklung eines geophysikalischen Meeresforschungsschiffes gemeinsam mit der NEPTUN vorgenommen zu haben und ich kann Ihnen versichern, daß wir auch zukünftig alles in unseren Kräften Liegende tun werden, das gegenseitige Vertrauen zu stärken und den gewünschten Erfolg mit ,PROSPEKTA' zu erzielen.
Stapellauf SV PROSPEKTA
Den Herren der Schiffswerft D. W. Kremer Sohn möchte ich mein Kompliment machen für ihre kooperative und verständnisvolle Art, mit der sie den Partnern des F/S ,PROSPEKTA' ermöglicht hat, die Planung und Entwicklung voranzutreiben. Ich kann nur hoffen, daß das nächste Stadium der Ausrüstung bis zur Inbetriebsetzung einen genauso glücklichen Verlauf nehmen wird und das Schiff termingerecht seiner Bestimmung übergeben werden kann.“

Für die bei der Schiffstaufe anwesenden Herren des Aufsichtsrates von PRAKLA und SEISMOS sowie einige weitere Teilnehmer fand diese so erfreulich verlaufene Feier am nächsten Tag einen reizenden Abschluß im schönen Hause Martini in Bockenem/Harz, wohin Frau Ruth Martini zum Mittagstisch mit Korn und Bier geladen hatte.

R.Köhler