Report Datenbank php 7.x aufrufen Seismische Geschwindigkeitsmessungen mit Luftpulser auf Bohrinseln
Rundschau Nr.39, 1970
Seismische Geschwindigkeitsmessungen mit Luftpulser auf Bohrinseln
Bei seismischen Geschwindigkeitsmessungen in Tiefbohrungen, die von Bohrinseln oder Bohrschiffen niedergebracht werden, ist es im Verlauf der letzten Jahre üblich geworden, zur seismischen Impulserzeugung anstelle von Sprengstoff komprimierte Luft zu verwenden (air gun). Die Vorteile der Luftpulsertechnik sind folgende:

Es wird kein Schiff für den Sprengstofftransport und für die Schießarbeit während der Messung benötigt. Die Schwierigkeiten, die sich aus der Sprengstoffbeschaffung und den damit zusammenhängenden Sicherheitsbestimmungen ergeben, entfallen. So kann auch bei Nacht gearbeitet werden, falls es erforderlich ist.

Eine Gefährdung für die Fischerei gibt es nicht. Die Luftpulserausrüstung kann mit einem Hubschrauber auf die Bohrinsel gebracht und Messungen können deshalb kurzfristig durchgeführt werden.

Dadurch, daß die gesamte Meßausrüstung auf der Bohrinsel stationiert wird, kann die personelle Besetzung des Meßtrupps klein gehalten werden.

Der Anstoß für den Einsatz des Luftpulsers kam aus Holland von der N.A.M.

Am 22. Mai 1970 fand auf einer Bohrinsel in der Nordsee eine seismische Geschwindigkeitsmessung statt, bei der zu Vergleichszwecken sowohl Sprengstoffladungen als auch ein 1,2 Liter-Luftpulser Typ VLC zur, Erzeugung seismischer Impulse verwendet wurden.

Obwohl die PRAKLA über kein zunächst als erforderlich angenommenes Spezial-Bohrlochgeophon mit Andruckvorrichtung verfügte, waren die Resultate der Messung so ermutigend, daß am 13. Juni 1969 die erste seismische Geschwindigkeitsmessung auf einer Bohrinsel nur noch mit Luftpulser durchgeführt wurde.

Bis Anfang Juni 1970 hat es 10 solcher Messungen gegeben, und zwar außer in der Nordsee auch in der italienischen Adria, in Griechenland und Mittelamerika. In nächster Zeit sind weitere Messungen zu erwarten u. a. vor der spanischen MitteImeerküste, in der Karibischen See und nochmals in Griechenland.

Eine Ausrüstung für seismische Geschwindigkeitsmessungen auf Bohrinseln setzt sich folgendermaßen zusammen:

1. Luftpulserausrüstung
Zu ihr gehören im wesentlichen zwei 50 Liter-Speicherflaschen, ein leichter Kompressor und zwei Luftpulser mit 2 bzw. 1,2 Liter-Töpfen. Der Speicherdruck in den Flaschen beträgt 200 atü; "geschossen" wird vorzugsweise mit einem Betriebsdruck von 150 atü, jedoch lassen sich auch mit geringeren Betriebsdrücken brauchbare Ergebnisse erreichen.

Eine der beiden Kanonen wird mit Hilfe eines Kranes der Bohrinsel in ca. 50 m Abstand vom Bohrloch am Versorgungsstrang etwa 10 m tief in das Wasser gehängt. Der Versorgungsstrang besteht aus einem Trageseil aus Stahl, einem Druckschlauch zur Speisung des Luftpulsers mit komprimierter Luft und einem elektrischen Kabel für die elektrische Auslösung des Steuerventils. Die Auslösung des Luftpulsers erfolgt durch ein elektronisches Schußauslösegerät, das etwa die Größe und Form einer Schießmaschine hat.

2. Seismische Meßausrüstung
Ihre Hauptbestandteile sind ein Bohrlochgeophon Typ BGK mit getrenntem Druck- und Bewegungsaufnehmer, die beide über je einen Vorverstärker an das Versenkkabel angeschlossen werden, eine seismische Koffer-Apparatur Typ CBA sowie als Oszillograph ein "Visicorder" der Fa. Honeywell, der mit einer UV-Lampe arbeitet, so daß eine Trockenentwicklung (durch Lampenlicht oder gedämpftes Tageslicht) in wenigen Sekunden möglich ist.

Das Bohrlochgeophon wird mit einer Kabelwinde, die auf jeder Bohrinsel zusammen mit einer Meßkabine (Schlumberger) fest montiert ist, in das Bohrloch eingelassen.

Drei Meter unterhalb des Luftpulsers hängen nebeneinander zwei Hydrophone. Sie dienen als Bezugsniveau für die Laufzeitmessung (Abrißhydrophone), da das Ventilsteuersignal wegen Schwankungen der Ventilöffnungszeiten von mehreren Millisekunden nicht als "Abrißsignal" genommen werden kann. An sich würde ein Hydrophon hierfür genügen. Um aber bei Ausfall eines Hydrophons nicht den Luftpulser aus dem Wasser holen zu müssen, wurde ein zweites Hydrophon von vornherein mit angeschlossen.

Seismische Apparatur und Schußauslösegerät sind durch ein mehradriges Kabel miteinander verbunden, so daß jeder einzelne Schuß durch einen Fernbedienungszusatz vom Registrierer ausgelöst werden kann.

Jeder Meßtrupp besteht aus einem Registrierer und einem Auswerter. Die Filme werden sofort nach der Entwicklung einer ersten Auswertung unterzogen. Die dabei abgelesene Laufzeit wird in ein Zeit/Tiefen-Diagramm eingetragen.

Das Hauptproblem bei Verwendung eines Luftpulsers ist der im Vergleich zu Messungen mit Sprengstoff als Schallquelle geringere Abstand zwischen Nutz- und Störsignal. Störgeräusche, die von der Bohrinsel herrühren, lassen sich, falls erforderlich, auf ein geringstmögliches Maß bringen, z. B. durch Stillegen der Maschinen und des gesamten Arbeitsbetriebes.

Schwieriger ist es mit den seismischen Störungen, deren Quelle in der Umgebung des Bohrlochgeophons liegen oder die über eine Rohrtour von anderer Stelle her zum Geophon gelangen. Auf den Geophonkörper fallende kleine Gesteinsteile können z. B. die Ursache für Störsignale sein

Die "Kunst " beim Registrieren besteht nun darin, einen Schuß zeitlich so auszulösen, daß der Signaleinsatz möglichst mit einem Minimum des Störpegels zusammenfällt. Durch die schnelle Schußfolge, die ein Luftpulser ermöglicht (etwa alle 20 s), können ohne großen Zeitaufwand in jeder Meßtiefe zwei oder mehr Registrierungen vorgenommen werden, so daß für eine sichere Auswertung genügend Signalinformationen vorhanden sind.

Die Betriebskosten einer Bohrinsel oder eines Bohrschiffes sind sehr hoch (u. U. ca. DM 100000,- pro Tag). Aus diesem Grund fordert man, daß eine Bohrlochmessung so schnell wie möglich durchgeführt wird.

Die "rig time", die für eine Messung benötigt wird, soll also gering bleiben. Aus diesem Grunde müssen eventuelle Reparaturarbeiten an Geräten während einer Messung vermieden werden. Defekte Geräte sind durch Ersatzgeräte auszutauschen. Deshalb gehören zur Ausrüstung eines Meßtrupps der PRAKLA ein Ersatzgeophon und ein zweiter Luftpulser. Die Kapazität der Speicherflaschen ist so bemessen, daß bei Ausfall des Kompressors noch mehr als 30 Schuß abgegeben werden können.

Das Gewicht der gesamten Ausrüstung liegt bei ca. 800 kg. Die Ausrüstung wird entweder von einem Hubschrauber oder mit einem Versorgungsschiff auf die Bohrinsel gebracht.

Die Dauer einer Messung einschließlich Auf- und Abbau beträgt im Durchschnitt zehn Stunden, davon werden bei einer ca. 3000 m tiefen Bohrung für die Zeit vom ersten bis letzten Schuß etwa vier bis fünf Stunden benötigt. Bei einer 1 800 m tiefen Bohrung in der Karibischen See waren es nur ca. zwei Stunden. Gibt es Schwierigkeiten durch zu hohen seismischen Störpegel, so muß verständlicherweise mit längeren Meßzeiten gerechnet werden

Verbesserungen und Weiterentwicklung der Ausrüstung
Es ist geplant, künftig beide mitgeführten Luftpulser gemeinsam einzusetzen und zwar wahlweise für Einzel- oder Synchronschüsse. Von letzteren wird durch stärkere seismische Impulse eine Verbesserung des Nutz/Störsignal-Abstandes erwartet, außerdem eine Verminderung des Blubbereffektes, der u. U. einen Störeinfluß im verröhrten Teil der Bohrung haben kann. Das Blubbersignal läuft mit Schallgeschwindigkeit in Stahl, d. h. mit ca. 5000 m/s an der Formationskopfwelle vorbei, und "maskiert" ihren seismischen Einsatz.

Im weiteren wird angestrebt, das Transportgewicht der Ausrüstung und damit die Kosten für die Luftfracht herabzusetzen.

Die Entwicklung eines Bohrlochgeophons mit Andruckvorrichtung hätte bei Messungen auf Bohrschiffen bzw. schwimmenden Bohrinseln gewisse Vorteile. Infolge des Wellenganges entsteht eine Relativbewegung zwischen Bohrloch und Bohrturm. Nahezu die gleiche Bewegung macht das Bohrlochgeophon und erzeugt daher durch Reibung an der Bohrlochwand Störgeräusche. Wird das Geophon angedrückt, so kann das Bohrlochkabel entlastet werden, und in unmittelbarer Umgebung des Bohrlochgeophons können keine störenden Geräusche mehr entstehen.

Ein Behelf ist das Abklemmen des Bohrlochkabels und Aufsetzen der Klemmvorrichtung auf der Verflanschung des Bohrlochs.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen liefert der Druckaufnehmer häufig die besseren Signaleinsätze als der Bewegungsaufnehmer, so daß man auch bei einem Andruckgeophon nicht auf einen Druckaufnehmer verzichten sollte. Die Entwicklung einer Andruckvorrichtung könnte nach dem Prinzip des Kippteiles der PRAKLA-Echosonden erfolgen.

E. Nolte