Report Datenbank php 7.x aufrufen 10 Jahre Seemessung
Rundschau Nr.18, 1962
10 Jahre Seemessung
Bei Gründung der PRAKLA vor 25 Jahren wagte noch kein Geophysiker in Deutschland daran zu denken, daß es einmal möglich sein würde, auf See seismische Untersuchungen durchzuführen, wo doch die Reflexionsseismik gerade erst vor kurzer Zeit die ersten brauchbaren Ergebnisse gebracht hatte und in ständig fließender Weiterentwicklung war. Inzwischen ist es zur Selbstverständlichkeit geworden, daß unsere "PROSPEKTA" Jahr für Jahr unsere heimischen und fremde Gewässer befährt, um die Lagerungsverhältnisse des Meeresuntergrundes bis in große Tiefen zu erforschen.

Als vor mehr als zehn Jahren unter der Leitung von Dr. Maaß die ersten tastenden Versuche der PRAKLA unternommen wurden, in den Schelfmeergebieten reflexionsseismisch zu messen, war bereits gerüchteweise bekannt geworden, daß Ähnliches in den USA vor sich gehe. Technische Einzelheiten waren aber nicht zu erfahren, da keine einzige geschriebene Zeile an die Öffentlichkeit gelangte. Heute wissen wir, daß diese Messungen zunächst mit einem wasserdicht gemachten Landkabel und kardanisch aufgehängten Geophonen begannen, die am Meeresgrund von Schußpunkt zu Schußpunkt gezogen wurden. Erst später verwandten auch die amerikanischen Geophysiker schwimmende Meßkabel und Empfänger.
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PRAKLA benutzte gleich bei den ersten Versuchen schwimmende Geophone. Diese fanden in der Nähe Hannovers in einer Kiesgrube bei Harkenbleck statt.

Bei der ersten Seemessung im Herbst 1951 konnte nur ein knappes Dutzend Schüsse aufgenommen werden, da die mit viel Hoffnung der See anvertraute erste Hydrophonanlage insbesondere von den durch die Sprengungen erzeugten Druckwellen - bald beschädigt war.
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Für diese Messung, wie auch für die der nächsten zwei Jahre, stellte das Deutsche Hydrographische Institut in Hamburg das für die Entwicklung geophysikalischer Meßmethoden regstes Interesse zeigte - das Vermessungs- und Forschungsschiff "GAUSS" zur Verfügung. Das schwimmende Meßkabel mit den Hydrophonen wurde von der "GAUSS" gezogen, während eines ihrer kleinen Vermessungsboote den Sprengstoff zu Wasser brachte und zündete.
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Nun sind die Hydrophone und die Hydrophonkabel der wesentlichste Bestandteil der technischen Ausrüstung einer seeseismischen Meßanlage. Von ihrer Bauart und Anordnung hängt vor allem die Qualität der erhaltenen Seismogramme ab. Die Bilder zeigen die recht beachtlichen Dimensionen eines einzelnen Empfangssystems, das aus Boje, Hydrophon und Beschwerung bestand. In den linsenförmigen Hydrophonkörper waren die damals an Land verwendeten Geophone eingebaut. Jedes System wog über zwei Zentner und mußte einzeln in schwierigen Manövern mittels Ladebaum und Winde zu Wasser gelassen werden. Bei diesen Versuchen ergab sich jedoch bereits, daß mit der verwendeten Ausrüstung grundsätzlich seismische Messungen auf See erfolgreich durchgeführt werden konnten.
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Bei der im Jahre 1952 in der Ostsee in der Eckernförder Bucht durchgeführten Messung wurde besonders die Schießtechnik weiterentwickelt. Die "Ladungen" von 10 kg Sprengstoff, aus den an Land gebräuchlichen Patronen von 100 g zusammengesetzt, hingen, sauber gebündelt, an leeren Konservendosen in bestimmter Wassertiefe, um die gefürchteten "Blubber", d. h. die Entstehung von in sich schwingenden und laufend Impulse aussendenden Gasblasen, zu verhindern. Auch die ersten Erfahrungen mit Fischern konnten gesammelt werden, die sich zunächst ob des einfachen Fanges durch Einsammeln der von den Explosionen betäubten Fische erfreut zeigten, ihre Einstellung zur Seeseismik jedoch bald änderten.

Auch der eigene Speisezettel ließ sich mit den "Nebenprodukten" der Arbeit gut ergänzen. So bot die Nachtwache eines Morgens Bücklinge an, noch warm vom Rauch, eine Delikatesse, von der mancher zum Frühstück ein halbes Dutzend in typischer Haltung - über die Reling gebeugt verzehrte.
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Zu Beginn des Frühjahrs 1953 wurde, gestützt auf die bisher gewonnenen Erfahrungen, mit der Erprobung einer in allen Teilen zwar neuen, jedoch im wesentlichen nach der bisherigen Anordnung aufgebauten Hydrophonanlage begonnen. Sie hatte, wie die vorhergehende, ebenfalls 12 Spuren. Die Linsenschwimmer waren weiterhin beibehalten worden, jedoch wurde nun ein spezielles Seekabel mit stählerner Zugseele verwendet. An diesem Kabel waren kleine Aluminiumbojen befestigt, in denen sich jeweils ein Gruppenabzweig vom Hauptkabel befand. Die Registrierung erfolgte jetzt nicht mehr mit Einzelgeophonen, sondern in Dreiergruppen.

Bei der im Juli 1953 folgenden Ostseemessung hatte sich die Schießtechnik weiter verbessert. Auf den Schießbooten waren kippbare Holzrutschen angebracht, die es ermöglichten, die Ladung unversehrt und abseits der Schiffsschraube zu Wasser zu bringen.

Im Herbst 1953 traten an die Stelle der Linsenhydrophone die "Flundern". Diese unterschieden sich von ihren Vorgängern vor allem durch den hölzernen Schwimmkörper in Strömungsform, der es dem Kabel gestattete, sich besser als bisher den vorhandenen und durch die Fahrt des Schiffes erzeugten Strömungen anzupassen. In den "Flundern" befand sich nun das kleinere leistungsfähigere Geophon G 21. Ausrüstungsgegenstände, Anlage und Arbeitstechnik waren jetzt soweit vervollkommnet, daß in Zusammenarbeit mit der Besatzung der "GAUSS" eine laufende Messung abrollen konnte, wobei als Meßapparatur die damals auch an Land eingesetzte Apparatur mit S 11-Verstärkern verwendet wurde. Die Schußfolge ließ. sich unter günstigen Voraussetzungen bis auf 4 Minuten herabsetzen. Die maximale Leistung erreichte bereits die beachtliche Zahl von 71 Schußpunkten pro Tag!
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Die Ortung der jeweiligen Schußposition führten bei Einsatz der "GAUSS" deren Vermessungsingenieure durch. Hierfür standen entweder Decca-Navigationsgeräte oder - bei landsicht - optische Geräte zur Verfügung. Wie ging nun damals eine Messung in küstennahen Gewässern und bei Landsicht vor sich?

"Halbe Kraft voraus!"
Das Meßschiff läuft. Beide Winkelmesser auf dem Schiff peilen vorbestimmte Landziele an und geben die Werte durch Zuruf in den Kartenraum. Das Sprengboot erhält von dort drahtlos laufende Positionsmeldungen und schließlich die Anweisung, den Sprenkstoff Bord zu Iassen; selbst fährt es aus Sicherheitsgründen etwa 100 m weiter und läßt hierbei eine schwimmende Schießleitung aus, an der der Sprengstoff hängt. Etwa 100 m vor Meßposition:

"Meßschiff Maschinen stopp!",
"halbe Fahrt zurück!"
Durch dieses Manöver kommt die Hydrophonanlage auf Schußposition fast zum Stillstand. Dauerton des Meßschiffes und anschließend drahtloses Kommando an das Schießboot:

"S C H U S S!"
Die durchschnittliche "Tagesproduktion" von 50-70 "Schüssen" ließ bald erkennen, daß die bisher gebräuchliche Auswertemethode an Hand von Einzel-Seismogrammen zu einem heillosen Durcheinander führen mußte, da die Auswertung auf dem Schiff trotz eifrigster Bemühungen mit der "Seismogrammproduktion" nicht Schritt halten konnte. Auf der "GAUSS" war zwar im Zeichenraum ein provisorisches Auswertebüro eingerichtet worden - auch an Deck auf Lukendeckeln, oder wo sich sonst gerade Platz fand, wurde emsig ausgewertet, bis die Menge der Seismogramme die Auswerter doch noch erdrückte. So ging es also nicht. Die Seismogramme wurden schließlich kurz auf Qualität überprüft, beschriftet und die Auswertung in unsere Zentrale nach Hannover verlegt.

Nach einer Pause im Jahre 1955 wurden die Seemessungen 1956 fortgesetzt, erstmalig ohne die "GAUSS", da diese wegen bereits festgelegtem Forschungsprogramm nicht zur Verfügung gestellt werden konnte.
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Für die Messung in der Ostsee zwischen Laboe und Schönberger Strand charterten wir daher Fischerboote und rüsteten sie entsprechend aus. Die Ortung wurde mit Landpeilung bewerkstelligt. Bei dieser Art der Peilung befinden sich die Meßinstrumente nicht an Bord, sondern auf vorher genau eingemessenen Punkten auf Land. Die Meßwinkel werden dem Schiff laufend drahtlos zugesprochen, wodurch dieses in die Lage versetzt wird, an Hand der Eintragungen in die Karten seinen Kurs festzulegen.

Als Meßapparatur kam die neue kleinere seismische Apparatur AP-16 mit den Verstärkern S-16 zum ersten Male auf See zum Einsatz. Kurz darauf mit S-18-Verstärkern ausgerüstet, hat sich die se Apparatur bis zum heutigen Tage auf See gut bewährt.

Im Jahre 1957 wurden zwei Messungen durchgeführt. Die erste Messung erfolgte in der Ostsee mit den Schiffen des Vorjahres und der gleichen technischen Ausrüstung. Aber etwas Wesentliches hatte sich geändert. Die optische Ortung war zu gunsten der elektromagnetischen Ortsbestimmung aufgegeben worden, um bei den Messungen nicht mehr von den Sichtverhältnissen abhängig zu sein.

Bei PRAKLA werden heute zwei elektromagnetische Hyperbelfunkortungsverfahren verwendet, das DECCA- und das LORAC-Verfahren. 1957 wurde mit dem DECCA-Verfahren vermessen, 1959 je doch das LORAC-Verfahren eingeführt, da dieses um ein bis zwei Zehnerpotenzen genauer arbeitet.
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An der zweiten Messung des Jahres 1957 beteiligte sich wieder die "GAUSS". Mit dieser Seemessung „Nordseeschelf" begann ein Forschungsvorhaben, das mit der Bundesanstalt für Bodenforschung und dem Deutschen Hydrographischen Institut, Hamburg, seither jedes Jahr gemeinsam durchgeführt wird und das die Klärung der Lagerungsverhältnisse unter dem Nordseeschelf zum Ziel hat. Das bei diesem großen Vorhaben zu untersuchende Gebiet hat einen Flächeninhalt von etwa 56 000 km2

Im Jahre 1958 erfolgte die Aufnahme der reflektierten Impulse über magnetostriktive Druckempfänger mit 24 Spuren zu je 4 Geophonen. Außerdem wurde auch erstmalig mit einer Magnetbandapparatur registriert. Diese technischen Verbesserungen und die Tatsache, daß das nun verwendete 24 spurige Kabel weniger "störanfällig" war, ermöglichten eine weitere Leistungssteigerung. Selbst bei Windstärke 6 konnten nun noch gute Seismogramme erhalten werden.
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Das Jahr 1959 brachte uns außer einigen weiteren Aufträgen, die für dieses und die kommenden Jahre nicht mehr einzeln aufgezählt werden sollen, auch die erste Messung im Ausland vor der Niederländischen Küste. Hierfür wurden holländische Schiffe gechartert. Die Ergebnisse wurden erstmalig täglich in Flächenschriftprofilen zusammengefaßt, wenn das hierbei angewendete Verfahren auch noch recht umständlich war.

Das wichtigste Ereignis des Jahres 1959 für die Seeseismik war der Entschluß unserer Geschäftsführung, beim Verwaltungsrat den Kauf eines eigenen Schiffes zu beantragen, da uns durch eine geophysikalische Gesellschaft in den Vereinigten Staaten ein ehemaliger USA - U-Bootjäger, die "PAN AM", als geeignetes Objekt angeboten worden war. Nach der positiven Entscheidung durch den Verwaltungsrat wurde die "PAN AM" nach Elsfleth geschleppt und hier von Grund auf umgebaut. Auf den Namen "PROSPEKTA" getauft, verließ sie im Herbst 1959 die Werft, um die ersten Versuchsmessungen durchzuführen.
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Mit der "PROSPEKTA" hat PRAKLA ein Meßschiff geschaffen, in das die letzten technischen Errungenschaften der Seismik eingebaut wurden und das in organisatorischer Hinsicht bis ins letzte durchdacht ist: Der Meßraum enthält die seismische Standard- und die Magnetband-Apparatur, alle erforderlichen Hilfsgeräte, ein Labor zur Wartung und Reparatur der Instrumente, Akkuladestation sowie Ersatzteillager; er steht mit einer Dunkelkammer in direkter Verbindung.
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Der Auswerteraum enthält alle Hilfsmittel für die vollständige Auswertung. Die Seismogramme werden in einer Trockenmaschine schnell getrocknet. In dem nebenanliegenden Fotolabor können alle erforderlichen fotografischen Arbeiten durchgeführt werden, die für eine schnelle Auswertung und Planung notwendig sind, so daß die Ergebnisse jedes Tages am Abend in Form von Flächenschriftprofilen dem Meßleiter vorgelegt werden können. Eine freundliche Messe sorgt für das Wohlbefinden der Besatzung. Unter dem Achterdeck befindet sich der 16 t fassende Sprengstoffraum. Die "Patronen" können mit Hilfe eines Aufzuges an Deck befördert werden. Die verschiedenen Räume sind so zweckmäßig angeordnet und eingerichtet, daß während einer Messung kein Leerlauf entstehen kann.
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Die "PROSPEKTA" ermöglichte einen weiteren wesentlichen Fortschritt, die Einschiffmethode. Bei dieser Methode wird der Sprengstoff vom Meßschiff aus zu Wasser gelassen, so daß ein Schießboot nicht mehr erforderlich ist. Das Schiff läuft mit stetiger Fahrt, ohne bei jeder Registrierung stoppen zu müssen.
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Voraussetzung für diese Technik ist ein glattes Meßkabei, bei dem die Erschütterungsmesser im Kabelinnern eingeschlossen sind. Das heute verwendete Kabel wurde bei PRAKLA entwickelt und mit 16 Hydrophonen pro Spur, insgesamt 384, ausgerüstet, die nach dem magnetostriktiven Prinzip arbeiten. Vorher konnten Erfahrungen mit einem ähnlichen Kabel amerikanischer Konstruktion gesammelt werden, in das piezoelektrische Kristallempfänger als Erschütterungsmesser eingebaut .waren.

Die "PROSPEKTA" begann ihre Meßtätigkeit im Frühjahr 1960. Die ständige Weiterentwicklung der Aufnahme- und Schießtechnik hatte auch eine laufende Steigerung der Leistung zur Folge. In einer kleinen Tabelle sind die optimalen Tagesleistungen für einige Jahre zusammengestellt, die diese Tatsache am besten vor Augen führen :
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Jahroptimale Tagesleistung
195371
1956111
1959170
1960222

Die dargestellte Graphik gibt einen Oberblick über unsere bisherige Meßtätigkeit auf See. Die Zahlen für das Jahr 1962 basieren auf den bis zu Beginn d. J. abgeschlossenen Verträgen.




Vor etwa zehn Jahren registrierten wir den ersten "Schuß " mit primitiven Mitteln in einem Kiesteich. Wie stürmisch die Entwicklung unserer Seeseismik verlaufen ist, versucht dieser Bericht zu zeigen. Nur die unermüdliche Arbeit unserer Techniker und Wissenschaftler hat sie ermöglicht.

E. Bartels und W. Kohlruß