Report Datenbank php 7.x aufrufen Land-Seemessungen Plön-Zechstein 1960
Rundschau Nr.13, 1961
Land-Seemessungen Plön-Zechstein
Macht man den Versuch, die von der PRAKLA seit ihrer Gründung vermessenen seismischen Kilometer abzuschätzen, so kommt man zu ganz erstaunlichen Zahlen. Das "Landprofil" dürfte mindestens eine Länge von 50000 km, das "Seeprofil" eine Länge von 6000 km haben. Dies bedeutet, daß sich unsere Landtrupps bereits einmal um den Erdäquator herumgeschossen haben und fleißig dabei sind, die zweite Erdumrundung hinter sich zu bringen, und daß die Prospekta mit den früher für uns tätigen Schiffen ein Seeprofil vermessen hat, das den Atlantik zwischen Europa und Amerika bei weitem überdeckt. Also genügend Erfahrung auf Land und zur See!

Im September 1960 wurden wir von der DEA mit einer Aufgabe betraut, die für uns jedoch neu war: An der Küste Schleswig-Holsteins sollte eine phasengerechte Verbindung des Zechsteinbasisreflexes zwischen Land und See hergestellt werden.
Land-Seemessungen Plön-Zechstein
Theoretisch war die Sache ganz simpel. Der Registrierwagen hatte an der Küste zu stehen und das Landkabel war in Richtung Seeprofil so auszulegen, daß alte Landmeßpunkte mit neu aufgebohrten überdeckt wurden. Das Seekabel hingegen mußte mit einem Ende möglichst nahe an das Landkabel herangebracht, an Land befestigt und dafür gesorgt werden, daß es während der Messung in seiner Lage verharrte. Beide Kabel brauchten dann nur von See und Land von mehreren Punkten aus beschossen zu werden. Da mit technischen Schwierigkeiten zu rechnen war, wurden sicher heitshalber zwei Land -Seeanschlüsse vorgesehen und alle Fragen eingehend in einigen Organisationsbesprechungen in Hannover geklärt.

Wie sah nun die Durchführung dieser Messung aus? Um dem Nichtbeteiligten einen Einblick zu geben, ist es viel leicht am einfachsten, den zeitlichen Ablauf ungefähr zu schildern.

Donnerstag, 15.September 1960
Am Abend treffe ich in Lüttjenburg, dem "Landstützpunkt" der Messung, mit Trupp Dr. Meixner zusammen, der den Landanschluß durchführen wird. Dr. Meixner meldet, daß für die Messung alles klar ist. Die für den ersten Meßtag nötigen Schußpunkte sind gebohrt, alle weiteren eingemessen.

Freitag, 16. September 1960
Mittags Besprechung in Laboe, wo die Prospekta bereits vor Anker liegt. Auf der vorangegangenen Fahrt durch den Nord Ostsee- Kanal hat Herr Dipl.-Ing. Weißensteiner die Apparatur an Bord wieder einmal gründlich durchgemessen und in Ordnung befunden. Alle für die Land- und Seemessung verantwortlichen Männer sowie die Gäste: die Herren Bergassessor Schulte vom zuständigen Bergamt Celle und Herr Gerlach von der DEA, sind versammelt, um letzte Organisationsfragen zu besprechen.

Nachmittags fährt Herr Dr. Vetterlein, der Verantwortliche für den "Seeteil" der Messung, mit zum Landanschluß (hier ist das Kabel bereits probeweise ausgelegt, da der Aufbau am nächsten Morgen noch bei Dunkelheit erfolgen muß), um weitere Einzelheiten zu besprechen. Der wichtigste Punkt ist:

Wie soll der Gleichlauf der Magnetbandtrommeln auf Land und See gewährleistet werden?

Da bekanntlich in Schleswig-Holstein die Zechsteinbasis in Deutschland am tiefsten liegt, mußten bei Auslösung des Schusses die Magnetbänder so loslaufen, daß auf bei den auch tatsächlich die tiefsten Reflexionen aufgenommen wurden. Die Synchronisierung der Trommeln klappte bei den Versuchen am nächsten Tage innerhalb kurzer Zeit ausgezeichnet und so war es auch Gottseidank bei allen anschließenden Messungen.

Das Wetter war den ganzen Tag stürmisch und auch für den nächsten Tag ist stürmisches Wetter vorausgesagt!
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Sonnabend, 17. September 1960
Um 6 Uhr 30 morgens ist der Landtrupp meßbereit. Wir schätzen die Windstärke auf 5 bis 6 und sind wegen dem Auslegen des Seekabels recht skeptisch.

Die Zeit vergeht - aber die Prospekta kommt nicht. Der Versuch, Funkverbindung aufzunehmen, klappt zunächst nicht, wahrscheinlich weil der Sender am Meßwagen hierfür zu schwach ist. Wie wir nachher erfahren, konnte die Prospekta wegen eines technischen Zwischenfalles erst verspätet aus Laboe auslaufen. Schließlich bekommen wir doch Funkverbindung und hören zu unserem Erstaunen folgendes:

Prospekta: "Unsere Verspätung ist ja nicht so tragisch, da Ihre Apparatur kaputt ist"

Meßtechn. Fritz: "??? Wieso ist unsere Apparatur kaputt ?
Die war noch nie so gut in Ordnung wie eben jetzt!"

Prospekta:"Aber Sie haben uns doch per Funk soeben durchgegeben, daß Ihre Apparatur kaputt ist!"

Meßtechn. Fritz:"Wir??? Das ist ja toll!
Da hat sich einer auf unserer Frequenz aber einen ganz üblen Scherz erlaubt !"

Inzwischen schaltet sich auch der "Übeltäter" wieder ein. Es ist der Meßwagen des Trupps Kauf in Libyen, mit dem die Prospekta während 10 Minuten eine sehr gute Verständigung hat. In diesen kurzen Minuten gehen eine Fülle von Fragen hin und her, die wir am Meßwagen mithören können, bis die Verständigung schlechter wird und die Verbindung schließlich ganz abreißt (einige Tage später hatte die Prospekta übrigens wieder Funkverbindung mit dem selben Trupp. Hierbei gab dieser eine Nachschubforderung durch, die von der Prospekta nach Hannover weitergeleitet wurde).

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Gegen Mittag sichten wir die Prospekta. Das Wetter hat sich nicht gebessert und bei dem herrschenden Seegang (siehe Bild mit Prospekta im Hintergrund) ist das Aus legen des Seekabels an der Küste ein hoffnungsloses Beginnen. Um die Zeit auszunützen, werden Trommelsynchronisierungsversuche und Abrißversuche per Funk gemacht. Das Prinzip der Synchronisierung (Patent Dr. Vetterlein) ist denkbar einfach. Die auf Senden geschaltete Apparatur läßt die Trommel laufen, und der Meßtechniker sagt ins Mikrophon, wenn das Band über die StoßsteIlen läuft, (was man hört) "Klick-Klack". Die Empfänger-Apparatur stellt die zeitliche Verschiebung ihres "Klick-Klack" gegen das "Klick-Klack" des Partners fest und gleicht die eigene Trommel durch Anhalten oder Bremsen aus. Zur Kontrolle vertauschen dann Sender und Empfänger ihre Rollen und innerhalb erstaunlich kurzer Zeit laufen die Trommeln synchron.

Dem Bohrstellenleiter der DEA; Herrn Nitschmann, imponierte diese Sache so sehr, daß er als Gruß nicht mehr "Glückauf" oder "Guten Tag" oder sonstwas sagte. Von Stund an grüßte er nur noch mit "Klick-Klack".

Da sich das Wetter immer noch nicht bessert, brechen wir am Spät-Nachmittag ab und vereinbaren den Meßbeginn für nächsten Tag um 6 Uhr am "Südanschluß".

Die Wettervorhersage gibt uns für den nächsten Tag keine Hoffnung. Wir hören seit Anlaufen von "Plön-Zechstein 1960" jeden Wetterbericht von jeder Station, die wir nur kriegen können mit Hilfe eines kleinen Transistorgerätes , das Herr Dr. Meixner ständig in der Tasche hat. Ich habe in meinem Leben niemals soviel Wetterberichte gehört wie während dieser Tage.

Sonntag, 18. September 1960
Als ich um 5 Uhr 30 aus der Tür des Hotels "Alte Schmiede" in -Lüttjenburq trete, regnet es leise und ist fast wind still. Unsere Kollegen von der Meteorologischen Fakultät haben sich also Gottseidank geirrt. Um 6 Uhr im Gelände angekommen, sehe ich, daß der Aufbau fast fertig ist. Es ist noch sehr dunkel und wir fürchten, daß die Prospekta unsere Markierungsfahnen, die auf vier Meter hohen Stangen wehen, nicht ausmachen wird. Wir geben daher Blinkzeichen mit den Scheinwerfern des Trupp-PKW's , ohne die, wie wir später hören, die Prospekta uns niemals gefunden hätte.
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Kurz nach 6 Uhr taucht sie am Horizont auf und geht auf Position. Nach etwa einer Stunde haben wir es mit Hilfe eines am Ort gemieteten kleinen Fischer-Motorbootes geschafft, das Seekabel mit einer Seilverlängerung an einem tief in die Erde gerammten Moorspieß zu befestigen. Die Messung soll nun losgehen, nachdem die Trommelnsynchronisiert und Abrißproben per Funk von beiden Seiten durchgeführt sind.

Plötzlich schreit Dr. Meixner unsesen Praktikanten Hoffert an: "Ausziehen! schnell! ausziehen! das Kabel ist gerissen!" Gleichzeitig reißt er sich selber die Kleider vom Leibe und springt splitternackt in die kalte Ostsee. Nun war nicht das Kabel, sondern nur das Befestigungsseil gerissen - im Endeffekt jedoch das gleiche. Den bei den Herren gelang es nach verhältnismäßig kurzer Zeit das Kabel wieder einzufangen und an Land zu bringen, wo es erneut, diesmal dreifach verstärkt, am Moorspieß befestigt wurde. Die Messung rollt nun ohne wesentliche Störungen ab und kann gegen Mittag beendet werden.

Der Landtrupp zieht anschließend auf den Nordanschluß um und die Prospekta schießt als reines Seeprofil die Fortsetzunq des Südanschlusses ab.

Um die Ergebnisse dieses Seeprofiles diskutieren zu können, bittet Herr Gerlach per Funk Herrn Dr. Meixner und mich, an Bord zu kommen, als die Prospekta am Nordanschluß auftaucht. Das überwechseln auf die Prospekta ist nun nicht ganz so einfach. Die Küste ist hier sehr viel flacher als am Südanschluß, so daß das Motorboot nur bis etwa 50 m an Land herankommt. Diese 50 m Wasser möchten wir natürlich nur ungern durchwaten. Das Motorboot holt also unser Schlauchboot von der Prospekta und nimmt es in Schlepp. Ein Matrose kann ohne Schwierigkeiten bis an Land rudern und uns übernehmen.

Inzwischen ist wieder etwas mehr Wind aufgekommen und beim Schleppen gingen kleine Brecherchen ins Schlauchboot. Um ein Vollschlagen zu verhindern, setzt sich Herr Dr. Meixner auf die hintere Wulst und ich mich unmittelbar vor ihm auf den Boden des Bootes, der bereits mit 4 - 5 cm Wasser bedeckt ist. Ich hatte leider keine wasserdichte Hose an.

Die Prospekta versucht inzwischen durch Manöverieren das Kabel so auszufahren, daß es an Land befestigt werden kann. Wegen der Verschlechterung des Wetters und vor allem wegen der Wasserströmung scheitert jedoch jeder Versuch. Die Messung muß auf den nächsten Tag verschoben werden.

Die Diskussion an Bord hatte inzwischen ein Versuchsprogramm ratsam erscheinen lassen, das am nächsten Vormittag abgewickelt wird. Herr Dr. Meixner geht wieder per Schlauchboot an Land, ich bleibe ohne Zahnbürste an Bord. Nach genauer schriftlicher Ausarbeitung des Versuchsprogramms genehmigen wir uns nach dem anstrengenden Tag eine Flasche "Roten" und fallen gegen Mitternacht totmüde bei windstillem Wetter in die Koje.
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Um 4 Uhr morgens werde ich durch das Schlingern des Schiffes und das Schlagen der Wellen an die Bordwand geweckt. Außerdem vollführt ein direkt unter der Kabine gelegenes Bodenauslaßventil einen derartigen Krach, daß an ein Einschlafen nicht mehr zu denken ist. Herr Gerlach (alter Seemann), der die Kabine mit mir teilt, pennt hingegen ruhig weiter.

Um 7 Uhr 30 gibt es Frühstück. Das Wetter hat sich so ziemlich beruhigt und wir können das Versuchsprogramm bei festliegendem Kabel gut abwickeln.

Als wir uns wieder der Küste nähern, meldet der Meßwagen, daß an Land alles schußklar ist. Trotzdem wir nur noch Windstärke 1 - 2 haben, sind die Manöver, das Kabel an Land zu bringen, so schwierig, daß wir lange Zeit hierfür benötigen. Wir haben aus der vorhergehenden Messung gelernt und verwenden heute für die Befestigung ein sehr viel stärkeres Tau, das inzwischen besorgt worden war. Merkwürdigerweise ist die Wasserströmung hier am Nordanschluß auch heute sehr viel stärker als im Süden, das Seil reißt mehrfach und die tief in den Boden gerammten Moorspieße biegen sich im Zeitlupentempo um und brechen schließlich ab. Es kommt bei den Manövern, das Kabel auf Meßposition zu bringen, immer wieder zu dramatischen Augenblicken, wenn z. B. aus dem Lautsprecher in der Meßkabine der Prospekta die vor Aufregung heisere Stimme Dr. Meixners ertönt: "Stop, Stop, Kabel gerissen, stopp!". Bei den heutigen Verhältnissen hätten es natürlich zwei Mann niemals geschafft, das Kabel wieder an Land zu ziehen. Schließlich legen wir die Prospekta mit zwei Trossen durch die "Klaus Groth", deren Maschine auf Gegenkurs geht, an die Leine, um ein Abtreiben zu verhindern. Die dadurch verhinderte Kabelspannung gestattet uns endlich, mit der Messung zu beginnen und sie, wenn auch mit ständiger Angst im Nacken, zu einem guten Ende zu bringen. Damit ist die Land -Seemessung "Plön-Zechstein 1960" an beiden Anschlüsen erledigt.

Am Abend wechseln die Praklaner, deren Tätigkeit nunmehr beendet ist, auf das schnittige Polizeiboot über, das während der ganzen Meßdauer unser stetiger Begleiter war. Nach eineinhalb Stunden Fahrt, während der ich den interessierten Herren der Polizei und dem Fischereimeister von Kiel einen langen Vortrag über die Seismik im allgemeinen und die Prakla im besonderen halten muß, werden wir in Laboe an Land gesetzt. Hier erwartet uns Herr Dr. Meixner mit dem Trupp-PKW und bringt uns gegen Mitternacht in unser Standquartier nach Lüttjenburg zurück.

Wir hatten nicht zu schwarz gesehen als wir mit Schwierigkeiten während der Messung rechneten. Daß sie jedoch diese Ausmaße annehmen würde, überraschte uns doch etwas. Es ist der uneingeschränkten Einsatzfreudigkeit aller Beteiligten zu verdanken, daß die Messungen gut beendet und ihr Ziel *) erreicht werden konnte.

R. Köhler

*) Die typische niederfrequente Zechsteinbasisreflexion erschien nicht nur auf den Landseismogrammen, die beim Schießen von Land und See aufgenommen wurden, sondern auch auf den von Land aus geschossenen Seeseismogrammen. Die reinen Seeseismogramme waren sehr viel hochfrequenter. Auf einigen von ihnen konnte der niederfrequente Basisreflex erst nach Abspielung in der Zentrale ab 16 Hz erhalten werden.