PRAKLA-SEISMOS Report 3 / 1976  
GRIPPE SCHUTZIMPFUNG
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Ist sie zu empfehlen?
W. Voigt

Wenn unsere Mitarbeiter dieses Heft in Händen halten, ist der Termin für die von unserer Gesellschaft jedes Jahr kostenlos durchgeführte Schutzimpfung gegen Grippe sicher nicht mehr allzu fern *). Viele unserer Mitarbeiter nehmen diese Gelegenheit zur Schutzimpfung war, viele sagen aber auch: Warum denn, es nützt ja doch nichts. Haben diese Pessimisten recht? Um diese Frage beantworten zu können, haben wir das Heft "Impfschutz heute, Jahrgang 1975" aufmerksam durchgelesen. Wir veriangen von Ihnen nicht das gleiche, möchten Sie jedoch bitten, wenigstens diesen kurzen Auszug zu lesen, um zu wissen, wie die gestellte Frage beantwortet werden muß.

Was ist eigentlich die Grippe?

Die Grippe ist eine Infektion der Luftwege mit einem Influenza-Virus vom Typ A, B oder C. Man sollte also richtiger (wie früher) nicht von Grippe, sondern von Influenza reden.


Die Bevö!kerung der Bundesrepublik Deutschland macht jährlich etwa 300 Millionen "Grippale Infekte" durch, also fünf bis sechs pro Kopf. Von diesen Erkrankungen sind 5% bakteriell, alle übrigen von Viren verursacht.

Es gibt 200 immunologisch verschiedene Virustypen! Was heißt immunologisch verschieden? Das heißt schlicht: Wenn ich gegen ein Virus entweder durch eine vorher durchgestandene Erkrankung oder durch Impfung immun geworden bin, so kann ich durch einen anderen Virus doch von neuem erkranken. Das gleichzeitige epidemische Auftreten verschiedenartiger Influenza-Viren ist allerdings unwahrscheinlich. Einen Impfstoff, der gegen alle Viren schützt, gibt es bis jetzt noch nicht. Haben also die Pessimisten doch recht?

Wie macht sich die Grippe bemerkbar?

Nach einer Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung, also der Aufnahme des Krankheitserregers, bis zum Sichtbarwerden der ersten Symptome) von ca. ein bis vier Tagen setzt die Erkrankung plötzlich mit Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Augendruck, Gliederschmerzen und FrösteIgefühl bzw. Schüttelfrost ein. Bei raschem Anstieg der Körpertemperatur auf 39 bis 40° verstärken sich diese Symptome, zu denen noch Schwindel, Brechreiz, Ohnmachtsanfälle oder Kollapse und bei Kindern auch Krankheitserscheinungen des Magen-Darm-Traktes oder Nasenbluten hinzutreten können. Erst in der zweiten Phase der Erkrankung, gelegentlich verbunden mit erneutem Fieberanstieg, treten die für die Erkrankung der Atemwege typischen Symptome in den Vordergrund, wie Hustenreiz, Brennen im Rachen und Schmerzen hinter dem Brustbein. Bei unkompliziertem Verlauf machen sich nur die Symptome einer Bronchitis, Mandelentzündung und Tracheitis bemerkbar.

Relativ häufig setzen schon frühzeitig Symptome seitens des Kreislaufes ein wie langsamer Herzschlag und niedriger Blutdruck. Bei unkompliziertem Krankheitsverlauf klingt nach vier bis sechs Tagen das Fieber ab.

Die Grippe-Komplikationsrate

"Wegen der hohen Komplikationsrate bei einer InfluenzaInfektion sind hier Vorbeugungsmaßnahmen besonders wichtig". Das ist reines Mediziner-Deutsch und will heißen: Im Verlauf einer Grippe-Erkrankung können viele und gefährliche Folgeerkrankungen eintreten, nehmen Sie also jede Möglichkeit wahr, sich zu schützen! Die meisten Influenza-Erkrankungen verlaufen erfreulicherweise leicht. Die gefürchteten Komplikationen treten ein, wenn zusätzlich noch andere Infektionen erfolgen. Hauptsächlich sind dies schwere Lungenentzündungen, die nicht selten tödlich verlaufen. Es kommt vor, daß der Herzmuskel direkt durch das Influenzavirus schwer geschädigt wird. Meist sind es aber andere Organsysteme, die im Verlauf einer Grippe in die Erkrankung mit einbezogen werden. Es sind dies, nach dem Grad der Häufigkeit, folgende:

  1. Atmungsorgane mit Lungenentzündung, Kehlkopfödemen, Lungenabszessen, Asthma und Rippenfellentzündung.
  2. Herz-und Kreislauforgane mit Kreislaufschwäche, Herzmuskelveränderungen.
  3. Hals-Nasen-Ohren-Bereich mit Nasenbluten, Nasen-Nebenhöhlenentzündungen, Mandelentzündungen, Mandelund Rachen-Abszessen, Mittelohrentzündungen.
  4. Zentralnervensystem mit Hirn-ödemen, Flohstichenzephalitis, Gehirnentzündung sowie Neuritis und Polyneuritis.
  5. Leber und Bauchspeicheldrüse mit Entzündungen.
  6. Nieren mit Entzüridungen.

Wer ist besonders gefährdet?

Besonder gefährdet sind junge Menschen mit labilem Kreislauf, Menschen in höherem Alter sowie Menschen mit vorgeschädigtem Herzen und vorgeschädigtem Kreislauf.

Eine Influenza-Infektion während der Schwangerschaft, insbesondere in den ersten Schwangerschaftsmonaten, ist eine Gefahr für den Embryo. Bei Epidemien mit dem Virus A2 wurde eine erhöhte Mißbildungsrate festgestellt. Eine Influenza am Ende der Schwangerschaft kann durch massive Lungenschädigung zum Tode des Kindes führen.

Die Infektion und das Virus

Die Infektion erfolgt von Mensch zu Mensch über die Atemwege durch Tröpfchen. Falls nicht schon aufgrund früherer Kontaktaufnahmen mit dem Virus (Infektion oder Impfung) Antikörper im Organismus vorhanden sind, ist die Infektionsrate beim Menschen fast 100%.

Das Influenza-Virus ist ein annähernd kugeliges Gebilde von winzigem Durchmesser, nämlich etwa einem Hunderttausendstel Millimeter. Es verfügt über verschiedene Antigene, die nach Injektion in einen tierischen oder menschlichen Organismus Antikörper bilden und damit die Voraussetzung für die Immunität schaffen.

Der Virus-Typ A ist außerordentlich variabel. Die häufige Veränderung der Virus-Stämme muß deshalb bei der Bekämpfung durch Impfung sorgfältig beachtet werden. Der Erfolg der Schutzimpfung hängt entscheidend davon ab, inwieweit das im Impfstoff enthaltene Influenza-Virus antigenmäßig dem als Epidemie-Erreger auftretenden Virus entspricht.

Besonders gefährliche Virusarten gehören überwiegend zum Typ A. Virusstämme des Typs Bund C neigen weniger zur Variantenbildung. Mit dem Auftreten des " B-Hongkong-1973-Virus" ist allerdings ein neuer Subtyp des Virus B entstanden. Die durch diese Virustypen verursachten Krankheitswellen sind jedoch meist lokal begrenzt.

Wenn Sie dies nun alles gelesen haben, sehen Sie die "Grippe" vielleicht doch mit etwas anderen Augen an als bisher. Zum Glück ist erwiesen, daß heute die Schutzkraft der Impfung bereits mit 75 bis 90% angenommen werden kann und daß sich die Wirkung der Schutzimpfung mit der laufenden Verbesserung der Impfstoffe ständig weiter erhöhen wird.

Bei den gefährdeten Altersgruppen beträgt -bei einem epidemischen Auftreten der Grippe -der Erkrankungsindex fast 100%, wie wir bereits sagten. Wenn wir bedenken, was im Gefolge einer Grippe alles an Krankheiten auf uns zukommen kann und daß 75 bis 90 Personen von 100 bei einer Schutzimpfung vor diesen Krankheiten bewahrt werden können, sollte uns die Beantwortung der Frage - Schutzimpfung, ja oder nein - nicht allzu schwer fallen.

*) Der Impftermin ist leider gewesen. Falls Sie ihn nicht wahrgenommen haben sollten und sich nach dem Lesen dieses Beitrages doch noch impfen lassen wollen (was uno durchaus nicht verwunderlich erschiene), geben wir Ihnen folgende Tips: Offentliche Impfstellen impfen kostenlos. Lassen Sie sich aber lieber von dem Arzt Ihres Vertrauens impfen, zahlen die Kassen Ihre Kosten fast ganz wieder zurück.