PRAKLA-SEISMOS Report 2 / 1972  
 
Die  inverse Migration
eine Ergänzung zur Migration
Vor genau 17 Jahren wurde bei der PRAKLA, Gesellschaft für praktische Lagerstättenforschung GmbH, Hannover, durch unseren damaligen Mitarbeiter Dipl.-Geophys. Wolfgang Brauch eine firmen interne Mitteilung in Umlauf gesetzt mit dem Titel:

"Die Lotzeitkurve in der Reflexionsseismik"

Und diese für die damalige Zeit hochmoderne und auch zukunftweisende Arbeit begann mit dem folgenden Absatz:

"Der erste Schritt bei der Auswertung reflexionsseismischer Messungen ist heute im allgemeinen die Aufstellung des sog. ,Laufzeitplanes'. Hierunter wird folgendes verstanden:

In einem Diagramm werden auf der x-Achse die Schußpunkte der seismischen Profillinie aufgetragen. Auf der Ordinate trägt man unter jedem Schußpunkt die Reflexionslaufzeiten der an den verschiedenen Schichtgrenzen in sich selbst reflektierten Strahlen auf. Die aufgetragenen Zeiten, die von derselben Schichtgrenze stammen, werden miteinander verbunden. Dies nennt man die Korrelation der Reflexionen."

Wenn wir heute diese Zeilen lesen, wird uns so recht das fast atemberaubende Tempo bewußt, mit dem sich die Darstellung der seismischen Ergebnisse in den letzten 17 Jahren entwickelt hat.

Vor 17 Jahren machte man sich also noch Gedanken über eine zweckmäßige manuelle Darstellung der seismischen Interpretationen. Andererseits war man sich bereits damals darüber im Klaren, daß die in den Seismogrammen aufgezeichneten Reflexionsimpulse nur mit Einschränkung als Abbild des Untergrundes gesehen werden dürfen. Man wußte, daß bei komplizierter geologischer Lagerung, d. h. bei starken Neigungsänderungen der Schichten und starker Bruchtektonik, "Verschiebungen" der Reflexionsimpulse auftreten mußten, die einen unmittelbaren Schluß auf das geologische Lagerungsbild unmöglich machten.

W. Brauch unternahm deshalb den Versuch, mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln und einer zweckmäßigen Vereinfachung in den Annahmen, den umgekehrten Weg zu gehen um die Reflexionsbilder besser deuten zu können. Mit anderen Worten, er definierte Reflexionshorizonte von verschiedener Form durch einen mathematischen Ausdruck und leitete unter der Annahme einer konstanten seismischen Geschwindigk'eit die zugehörigen Reflexionsbilder ab, d. h. die " Reflexionshorizonte" in den Zeitsektionen. Dabei berücksichtigte er auch die Qualität dieser theoretischen Reflexionen indem er die Länge des reflektierenden Elementes in Beziehung setzte zu dem entsprechenden Stück auf der Profiltrasse. So wurde eine Reflexion z. B. als gut angesehen, wenn sich diese beiden Strecken wie 2 : 1 verhielten.

Doch lassen Sie uns zunächst zwei Fälle betrachten, die den Seismikern vor etwa 20 Jahren bereits vor der Publikation des zitierten Schriftstückes weitgehend bekannt waren:

  Inverse Migration a supplement to migration

Exactly 17 years aga an internal paper by our then colleague Dipl.-Geophys. Wolfgang Brauch was set in circulation at PRAKLA, Gesellschaft für praktische Lagerstättenforschung GmbH, Hannover. The paper was entitled:

"The Vertical Time Curve in Reflection Seismies"

It was at that time an up-to-the-minute work, also indicating future trends, and it beg an with the following sentences:

"The first step in interpreting reflection seismic survey data today generally means establishing of the so-called 'vertical time map'. By this we mean the following procedure:

The shot points of the seismic lines are plotted on the x axis of a diagram. For each shotpoint the reflection travel times of the rays from the various layers which are reflected back to the point of origin -the shotpoint are plotted on the ordinate. Of the times drawn up, those which originate from the same layer are tied to each other. This is known as the correlation of reflections."

When we consider that this was written only 17 years ago, we can begin to understand the breathtaking speed with which the presentation of seismic results has developed.

17 years aga we were still concerned with finding a suitable manual presentation for seismic interpretation. On the other hand, we were then already quite convinced that the reflection impulses recorded in the seismograms could only be regarded with reservations as a picture of the subsurface. We al ready knew that where geological stratification is complex, where the layers show large changes in dip and where there is strong faulting, deteriorization of the reflection impulses must occur, and therefore direct conclusions about the geological stratification are impossible.

Therefore, using the means then available and making appropriate simplifying assumptions, W. Brauch attempted to work backwards in order to be able to interpret the reflection pictures more clearly. In other words he defined reflection horizons of various forms by a mathematic expression, and derived the associated reflection pictures (the "reflection horizons" in the time sections) by assuming a constant seismic velocity of 2000 m/s. He also took into account the quality of these theoretical reflections by setting the length of the reflection element in relation to the corresponding length of line recorded. A reflection was regarded as good when these two parts had a relationship of 2:1.

Let us now consider two cases, which were weil known to seismologists about 20 years ago, before the paper quoted above was published.

         
 
dummy
Fall 1 der kreisförmigen
dummyflachen Mulde
Fall 2 der kreisförmigen
dummysteilen Mulde
dummy
Fall 1 ergibt ein Reflexionsbild, das der geologischen Lagerung einigermaßen entspricht, nicht aber Fall 2; hier konnte der erfahrene Seismiker nur den Hinweis geben, daß diese stark gekrümmte Reflexion vielleicht von einer Mulde verursacht sein könnte, und nicht von einem Sattel, wie man zunächst annehmen würde. dummy Noch schwieriger wurde das Problem für die Auswertung bei einer steilen parabolischen Mulde. W. Brauch berechnete im Fall 3 die den heutigen Seismikern wohlbekannte " Umkehrfigur" (siehe Figur 3). dummy Aus der weiteren Reihe interessanter Beispiele bringen wir abschließend nur noch eines, das im Hinblick auf die moderne Entwicklung, von der anschließend die Rede sein wird, besonders aktuell ist, die "Salzstockflanke".

Wir sehen aus dieser Figur, daß eine steil ansteigende Schicht mit den früheren Methoden nicht erkannt werden konnte. Der reflektierende Horizont und seine zeitliche Abbildung zeigen keinerlei äußeren Zusammenhang mehr. Gerade an diesem Beispiel wird der revolutionierende Fortschritt unserer seismischen Technik besonders deutlich. Der moderne Migrationsprozeß bildet auch steile Flanken naturgetreu ab. Warum muß das so sein?

Erinnern wir uns an den Artikel "TEUF" im Report 1/72, in in dem die Wirkungsweise der Migration beschrieben wurde. Die physikalischen Voraussetzungen für das Programm TEUF wurden dort nur kurz gestreift. Wir wollen jetzt deutlicher darauf hinweisen, weil gerade ihre Kenntnis für das Verständnis der folgenden Figuren nötig sind.

Durch eine seismische Energiequelle wie z. B. Sprengstoff, Vibrator oder Luftpulser wird eine Raumwelle in den Untergrund gesandt. Diese Welle breitet sich ungehindert aus bis sie auf eine Unstetigkeitsfläche, also eine Grenzfläche zwischen Schichten mit unterschiedlicher seismischer Geschwindigkeit bzw. Dichte trifft. Nun wird jeder Punkt dieser Grenzfläche zum Emissionspunkt einer neuen Raumwelle, der in der Zeitsektion eine Hyperbel spricht.

In der Prinzipskizze Figur 5 sind nur einige dieser Hyperbeln dargestellt

  xx
  Figur 1
xx
  Figur 2
xx
  Figur 3
xx
  Figur 4
xx
  Figur 5
  dummy
Case 1 shows a reflection which is fairly weil related to the geological stratification, but case 2 is not. The weil trained seismologist could only indicate that perhaps this strongly curved reflection originates from a trough, and not from an anticline, as one would at first assume. dummy
Still more difficult became the problem of interpreting a steep parabolic trough. In case 3, W. Brauch calculated the reverse figure weil known to seismologists today (see figure 3). dummy

From the numerous other interesting examples we include only one more, the one especially relevant to modern development, and which will be discussed below - the "salt dome flank".

We can see from this figure that a steeply rising layer could not be recognized with the former procedures. The reflection horizon and its response in the time section no longer indicate any relationship to each other. This example especially shows very clearly the revolutionary pace in our seismic technique. The modern migration process portrays even steep slopes accurately. What is the reason for this fact?

We recall an article entitled "TEUF" in the 1/72 Report in which the migration procedure was described. The physical prerequisites for the TEUF program were then only touched on. Now we should like to deal with them in more detail, as a knowledge of them is necessary to an understanding of the following figures.

A propagating wave is sent into the sub-surface from a seismic energy source such as dynamite detonation, vibrator or air gun. This wave expands unhindered until it reaches a discontinuity, i. e. an interface between layers with different seismic velocities and densities. Each point on this interface becomes an emission point of a new propagating wave, corresponding to a hyperbola in the time section.

In the fundamental sketch figure 5 only a few of these hyperbolae are shown.

         
Wir wissen, daß bei der Migration alle Impulse, die auf diesen Hyperbeln liegen, "eingesammelt" und zu Punkten (rot) komprimiert werden an den Stellen, von wo die Weilen ausgegangen sind, also von allen Punkten der Unstetigkeitsfläche. Hierbei ist es grundsätzlich völlig egal, welche Lage diese Unstetigkeitsflächen im Raume haben, sie können söhlig liegen oder steil stehen wie z. B. die Flanken von Salzstöcken.

Neuerdings ist es möglich, den Vorgang der Migration an theoretischen Beispielen zu untermauern durch ein Programm, das wir als inverse Migration bezeichnen möchten. Das, was W. Brauch vor 17 Jahren -auf einfache Fälle beschränkt -mühsam mathematisch berechnen mußte, können wir jetzt vollautomatisch, in kurzer Zeit, mit dem Rechner durchführen.

Das bedeutet, daß wir ein geologisches Modell -und sei es noch so kompliziert -dem Rechner eingeben können, der uns dann mit dem Programm für inverse Migration die zugehörige Zeitsektion liefert (siehe die Abbildungen 6 und 7). Um nun aber festzustellen, ob das erhaltene Zeitprofil - das zeitliche Bild der geologischen Situation - richtig ist, setzen wir den Migrationsprozeß auf dieses künstliche Zeitprofil an. Und wenn Sie die Figur 8 betrachten, in der das Ergebnis dieses Prozesses dargestellt ist, werden Sie feststellen, daß wir mit dieser "Abbildung der Abbildung" genau die ursprüngliche geologische Situation wiedergewonnen haben. Wir sehen hiermit auch, daß der Migrationsprozeß auf reellen Grundlagen aufgebaut ist.

  We know that in migrating all impulses Iying on these hyperbolae are gathered into points (red) at the position from which the waves started, i. e. into the points on the discontinuity. It basically is immaterial what position in space the various surfaces have, they can be horizontal or dip steeply like the flanks of salt domes.

Recently it has become possible to underpin the migration by theoretical examples with a program we should like to call inverse migration. What W . Brauch had painstakingly calculated mathematically 17 years ago - and limited to simple cases, too - can now be carried out fully automatically on the computer in a very short time.

This means that we can feed a geological model -no matter how complex -into a computer, producing the appropriate time section for us with the program for inverse migration (see figures 6 and 7). To determine whether the time section obtained -which is the picture in time of the geological situation -is correct, we have to submit this time section to amigration process. When you see figure 8, which shows the result of this process, you can see that we have regained the exact original geological situation with this "display of a display". We also see therefore, that the migration process is built up on a reliable basis.

The new process of inverse migration can also be important for field sections, if applied after migration: in many cases the signal-to-noise-ratio of the sections is improved.

Figur 6
  Figur 6
Figur 7
  Figur 7
Figur 8
  Figur 8

Der Prozeß der inversen Migration kann aber auch wichtig sein für im Feld aufgenommene Sektionen, wenn er nach der Migration angewandt wird: In vielen Fällen läßt sich das Nutz / Störverhältnis in den Sektionen verbessern.

Obwohl in der Reflexionsseismik eine automatische Migration erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit möglich ist, hat man bereits viel darüber diskutiert ob sie nötig ist, bzw. wann sie angewendet werden sollte, denn dieser komplizierte Rechenprozeß erfordert allerhand Rechenzeit, die man nicht umsonst bekommt.

Wir meinen, daß man nicht zu migrieren braucht, wenn einfache geologische Verhältnisse und gute Stapelsektionen vorliegen. Bei komplizierten geologischen Verhältnissen, d. h. steilen Schichtneigungen und ausgeprägter Bruchtektonik (Diffraktionen!) ist der Seismiker bei der tektonischen Interpretation einer Stapelsektion sicherlich oft überfordert. Dann sollten wir im Interesse unserer Klienten die Migration zumindest einiger Profile des Bearbeitungsgebietes vorschlagen und auch auf das neueste Mittel zur Ergebnisverbesserung, die inverse Migration, hinweisen.

  Although automatie migration has only been available for a relatively short time, there has al ready been much discussion as to whether it is necessary, and if so when it should be used, as this complex calculation process takes a fair amount of calculation time and therefore must be paid for.

We think that it is not necessary to migrate when the geological conditions are simple, and good stacked sections are available. Where there are complex geological conditions, i. e. steep dips and considerable faulting (diffractions !) the seismologist is often helpless in interpreting the tectonics of the stacked section. In such cases, in our clients' interest, we would suggest the migration of at least several key lines in the survey area, and propose the use of the latest way of achieving improved results -inverse migration.

  Beispiel aus der Praxis

Stapel-Zeitsektion
  Stapel-ZeitsektiondummyStacked Time Migrierte Zeitsektion
  Migrierte ZeitsektiondummyMigrated Time Inverse Migration
  Inverse MigrationdummyInverse Migration