Report Datenbank php 7.x aufrufen Zehn Jahre VS PROSPEKTA (II)
PRAKLA-SEISMOS Report 4 / 1980

Zehn Jahre VS PROSPEKTA (II)
Im August 1970 wurde unser Vermessungsschiff PROSPEKTA (II) in Dienst gestellt. Für uns bedeutet dieses Jubiläum: Zehn entwicklungsreiche Jahre auf dem Gebiet der angewandten marinen Geophysik. Anlaß genug für eine kleine Retrospektive.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Vorgeschichte
Unsere ersten marinen reflexionsseismischen Messungen nach dem Kriege fanden 1951 statt. Erst zögernd dann aber immer häufiger wurden weitere Messungen auf See von schwimmenden Arbeitsplattformen aus durchgeführt. Die geophysikalischen Aktivitäten der PRAKLA und der SEISMOS - damals noch getrennte Unternehmen - im Bereich der Küste und der offenen See folgten den Zielen unserer Auftraggeber, neue Lagerstätten vor der Küste aufzuspüren. Die SEISMOS verfügte bereits über umfangreiche Erfahrungen bei der Anwendung mariner geophysikalischer Meßmeoden, besonders im Flachwasserbereich. Bei der PRAKLA hatte sich das Hauptgewicht zuerst auf reflexions- und refraktionsseismische Messungen vor der Küste, dann in die Bereiche des ferneren Kontinentalshelfs bis hin zu den Tiefseeabhängen verlagert. Bedingt durch diese Aufgabenteilung ging die EntwickIung der Fahrzeuge und Meßausrüstung getrennte Wege, und für die Durchführung der Messungen mußten spezifische Techniken erarbeitet werden.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Die nachfolgenden Betrachtungen werden den Hochseemeßschiffen, ihrer Ausrüstung und ihren Meßverfahren gewidmet sein.

Das erste eigene Hochseemeßschiff wurde von der PRAKLA 1958 in Dienst gestellt und auf den Namen PROSPEKTA (I) getauft. Dieses Schiff stammte aus der Flotte der in großer Stückzahl in Boston, USA, gebauten hölzernen Minensucher und U-Boot-Jäger, für die die US-Mariene nach dem Kriege kaum noch Verwendung hatte. Die geophysikalischen Dienstleistungsfirmen in den USA versorgten sich aus diesem Arsenal. So war denn auch unsere PROSPEKTA (I) bereits als seismisches Meßschiff im Einsatz gewesen, bevor sie von der PRAKLA erworben und nach Deutschland geschleppt wurde. Die Elsflether Werft gestaltete die äußeren Konturen etwas gefälliger, fügte Meß-, Auswertungs- und Navigationsräume hinzu und paßte die Unterkünfte der deutschen Schiffsbesetzungsordnung an. Die seismische Ausrüstung war ursprünglich in den USA für die Einschiffmethode konzipiert gewesen, und PRAKLA gedachte damals, an diesem Konzept festzuhalten.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Nach dem Erprobungsstadium stellte es sich sehr bald heraus, daß für den kommerziellen Einsatz die Bunkerkapazität- es wurde damals noch mit Sprengstoff gearbeitet - nicht ausreichte. Die Meßeinheit war in der Lage, an Gutwettertagen zwischen April und September über 100 Profilkilometer zu vermessen. In den folgenden Jahren hielt die Stapeltechnik ihren Einzug in die Seeseismik. Nach ihrer Einführung und nach Umstellung von Zentral- auf Langschußtechnik wurde bereits die fünffache Sprengstoffmenge benötigt. Bei Schußabständen von 200 Metern und Schußladungen von 20 kg benötigte man jetzt 10 t Sprengstoff pro 100 ProfiIkilometer.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Deshalb gesellte sich sehr bald ein Versorgungsschiff zur PROSPEKTA (I), und das war ein zum Sprengstofftransport umgerüstetes Küstenmotorschiff. Als man das ständige Umladen des Sprengstoffs vom Versorger auf die PROSPEKTA sattzuwerden begann, und auch das Zünden der Sprengladung bei der Einschiffmethode immer problematisch blieb, funktionierte man das Versorgungsschiff kurzerhand zum Schießboot um und übertrug den Auslöseimpuls über Funk.

Nun lief die Kilometerproduktion so richtig an, und die Schießmeister auf dem Schießboot kamen fürchterlich ins Schwitzen. Das also war der Zeitpunkt, an dem die Seemessung das Marschieren lernte - das Gehen konnte sie ja schon.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Ein Meßtrupp nach dem anderen wurde in Dienst gestellt, und da der Platzmangel wie üblich mit der technischen Entwicklung einherschreitet, sah man sich bald gezwungen, Küstenmotorschiffe zu Meßschiffen umzurüsten. Auch wurden die Einheiten immer größer: Die PROSPEKTA (I) maß noch knapp 40 m und verdrängte nicht einmal 300 t Wasser. Die JASON und POLLUX, unsere letzten umgerüsteten Frachtschiffe, waren bereits 82 lang und die Tonnage betrug weit über 2000 BRT.

Von der Mitte der sechziger bis Anfang der siebziger Jahre betrieb die mittlerweile verschmolzene PRARAKLA-SEISMOS mindestens vier, zeitweise sogar fünf Hochseemeßtrupps.

Die Sprengseismik auf hoher See wurde 1969 von der Luftpulsertechnik abgelöst. Neue Navigationshilfsmittel verbesserten die Positionierung, erlaubten längere Meßzeiten und zeitweise schon den 24-Stunden-Betrieb. Mit all dem Fortschritt - die digitale Messtechnik war bei der Hochseemessung zur Routine geworden schritt leider auch der Verfall unserer umgerüsteten Meßeinheiten einher. Der Zeitpunkt rückte näher, an dem wir uns von unseren Veteranen trennen mußten. Intensive Umschau und eingehende Untersuchungen an zum Umbau geeigneten Fahrzeugen, wie Küstenmotorschiffe, Fischereifahrzeuge und Versorgungseinheiten, ließen den Entschluß reifen, den Neubau eines selbst konzipierten modernen geophysikalischen Mehrzweckmeßschiffes zu wagen.

Das neue Meßschiff
Nachdem 1969 das Konzept eines Spezialschiffes für geophysikalische Meßaufgaben auf hoher See Gestalt angenommen hatte, entstand unter Leitung von Dr. R. Garber ein Meßschiff, das in der Lage war, vollautomatisch gesteuert und gestützt auf ein Navigationssystem, alle wesentlichen Verfahren der angewandten Geophysik simultan auszuführen: Reflexionsseismik, Refraktionsseismik, Gravimetrie und Magnetometrie. Ein vollkommen neuer Schiffstyp war entstanden. VS PROSPEKTA (II) wurde zum Prototyp eines modernen geophysikalischen Meßschiffes. Die Konzeption erntete nationale und internationale Anerkennung und diente weltweit als Vorbild für ähnliche Neubauten.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Das neue Meßschiff sollte weltweit operieren können. Dies machte eine hohe Reisegeschwindigkeit zwischen den Meßaufträgen notwendig. Um dieser Forderung nachzukommen - die Maschinenleistung sowie die Wasserverdrängung hatte kommerziellen Gesichtspunkten gerecht zu werden - wurde bei der Schiffbauversuchsanstalt in Hamburg eine Schiffsrumpfform entwickelt, die diese hohe Reisegeschwindigkeit mit der vorgesehenen Maschinenleistung ermöglichte, ein gutes Seeverhalten gestattete und trotzdem eine ausreichende Stabilität bei langsamer Meßfahrt gewährleistete. Und daß eine Form bei aller Zweckmäßigkeit auch gleichzeitig schön sein kann, zeigt ein einziger Blick auf das Schiff.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Die Bunker- und Ladekapazität hatte ausreichend groß zu sein, um das Schiff ohne unnötige Aufenthalte auf den Ozeanen verkehren zu lassen, und während der Messungen von Versorgungsproblemen unabhängig zu machen.

Für die langen Seereisen hat die adäquate Unterbringung des Personals Vorrang vor reinen Zweckmäßigkeitserwägungen. Die Räume für den persönlichen Bereich sind ausreichend groß und komfortabel.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Die Meßausrüstung sollte so handhabungsgerecht wie möglich untergebracht sein. Streamer, Luftpulser und Meßsonden können von einem Decksniveau zu Wasser gelassen werden. Die Elektronik ist in vollklimatisierten Räumen untergebracht. Alle Apparaturen und Instrumente, im Meßraum wie auf der Brücke, wurden nach ergonometrischen Gesichtspunkten aufgestellt und angebracht.

Die moderne Hochseeseismik kann auf Sprengstoff vollkommen verzichten. Deshalb sucht man auf dem Schiff einen Sprengstoffbunker vergebens. Dafür findet man aber neben den Haupt- und Hilfsmaschinen eine umfangreiche Kompressoranlage, die die hoch komprimierte Luft von 140 bar zur Speisung der Luftpulser produzieren muß. Die ursprünglich mit zwei 'Bauer' Kompressoren bestückte Anlage mit einer Leistung von ca. 16 Kubikmetern pro Minute reichte zum Zeitpunkt des Neubaus bei weitem aus.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Das Schiff muß in der Lage sein, ein Meßkabel - den Streamer - von 2400 bis 3600 m Länge und zwei seitlich ausgestellte Luftpulserreihen von ca. 20 bis 30 m Länge, unter möglichst geringer Geräuschentwicklung während der Meßfahrt von 5 Knoten hinter sich herzuschleppen.

Wie hat man sich eine Meßfahrt vorzustellen? Das Schiff wird mit Hilfe eines modernen Navigationssystems (z. B. Satelliten – Doppler – Sonar - Navigation) auf einer festgelegten Profillinie entlanggeführt. Die installierten Kompressoren verdichten Luft auf 140 bar. Diese wird den Luftpulsern zugeführt, die an Bojen im Wasser aufgehängt hinter dem Schiff hergeschleppt werden. Ein Impuls, von der Aufnahmeapparatur ausgelöst, öffnet mit Hilfe eingebauter Magnetventile die Kammern sämtlicher Luftpulser gleichzeitig, und die freiwerdende hochverdichtete Luft löst eine Druckwelle aus , die als Schallsignal das Wasser durcheilt, in den Meeresboden eindringt und schließlich von markanten Gesteinsschichten im Untergrund reflektiert wird. Die im Streamer eingebauten druckempfindlichen Hydrophone fangen die Echos auf, überführen sie in Spanungsschwankungen, die via Kabel zur seismischen Apparatur im Meßschitf gelangen. Die restliche Prozeur vollzieht sich dann wie bei der Landseismik auch.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Es versteht sich von selbst, daß die installierte seismische Apparatur mit ihren Adaptergeräten und peripheren Anlagen sowie Gravimeter und Magnetometer bei der Indienststellung dem allerneuesten Stand der Technik entsprachen.

Was Navigation und exakteste Positionierung von ProfiIen und Schußpunkten anbetraf , wartete die PROPEKTA ebenfalls mit einer Neuerung auf . Die Kombiation einer Satelliten – Doppler – Sonar - Navigationsanlage mit einem in unserem Hause entwickelten DatenIoggersystem INDAS III erlaubte jetzt auch den Meßbetrieb 'rund um die Uhr' in Ozeanen und weit entlegenen Schelfqebieten, die nicht von einer nachtstabilen Radionavigation überdeckt werden.

Im Einsatz
Das im Oktober 1969 gemeinsam von der PRAKLA-SEISMOS und der Dampfschiffahrtsgesellschaft NEPTUN in Auftrag gegebene Meßschiff VS PROSPEKTE lief am 21. April 1970 auf der Kremerwerft in Elmshorn vom Stapel. (Der Name der alten PROSPEKTA war in der Zwischenzeit aus dem deutschen Schiffsregister gestrichen worden. Somit war kein Index "II" erforderlich. Auch wir wollen jetzt wieder darauf verzichten!) Im August wurde VS PROSPEKTA (VS steht für Vermessungs- Schiff) in Dienst gestellt und von PRAKLASEISMOS übernommen.
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Die Inbetriebnahme ließ keine prinzipiellen Mängel erkennen. Daß ein neuer Schuh am Anfang etwas drückt, ist keiner weiteren Erwähnung wert. Nach einer gewissen Einlaufphase hatten sich Schiff und Besatzung auf einander eingestellt, und die PROSPEKTA erledigte das, wofür man sie erfunden hatte: sie 'produzierte' Kilometer.

Wie schon angedeutet erregte die PROSPEKTA bei unseren Auftraggebern großes Interesse. Häufig wurde der Einsatz des neuen Schiffes zur Bedingung einer Auftragserteilung gemacht. Einsätze in Nordsee und Nordatlantik während des ganzen Jahres, ein erster Einsatz 1971 in der Arktis vor der Westküste Grönlands, bestätigen der Geschäftsführung, mit ihrer Entscheidung, ein eigenes Meßschiff bauen zu lassen, den richtigen Weg beschritten zu haben. Die Konsequenz: 1972 erfolgte der Auftrag zum Bau eines Schwesterschiffes.

Das Schwesterschiff
Im April 1973 wurde der zweite Neubau auf den Namen EXPLORA getauft und an die PRAKLA-SEISMOS übergeben. Sein Schattenriß ist mit dem der PROSPEKTA fast identisch. Eine wesentliche Konstruktionsabweichung verrät er natürlich nicht: Der Deckaufbau ist ab erstem Oberdeck aus Aluminium erstellt, um Rollbewegungen des Schiffes durch den jetzt tiefer gelegten Schwerpunkt entgegenzuwirken. Weitere Modifikationen sind: ein schlankerer Vormast, ein Signalmast und Radarantennenträger in Gitterausführung , ein größerer Navigationsraum, eine davitähnliche hydraulische Schwenkvorrichtung auf dem Achterdeck zum Ausbringen der Luftpulser und zwei gedeckte Motorbarkassen als Rettungs-, Erkundungs- und Verbindungsboote. (PROSPEKTA hat mittlerweile die gleichen Moorbarkassen erhalten.)
Zehn Jahre VS PROSPEKTA
Die Umstellung von den 'Rahmenarrays' zu den 'Kettenarrays', eine Notwendigkeit, die sich beim Abgleich und bei der Zusammenstellung größerer und effektiverer Luftpulserarrays ergab, bedingte neben einer Verbesserung der Ausschwenkvorrichtungen auch eine Verstärkung der Preßlufterzeugung. Dies machte die Erweiterung der Kompressorenanlage erforderlich: Zu den 'Bauer'-Kompressoren gesellte sich, in Blöcken angeordnet, zwei Batterien von 'Junkers' -Kompressoren.

Resumee
Beide Schiffe haben seit ihrer Indienststellung viele hunderttausend Seemeilen zurückgelegt und einige hunderttausend Profilkilometer vermessen. Sie haben alle Weltmeere bereist und auf den Schelfgebieten aller Kontinentente sowie in der Arktis und Antarktis die deutsche Flagge gezeigt und für den guten Namen unserer Firma geworben. Bei einem Meßauftrag in der Antarktis war die S EXPLORA in diesem Jahr auf die südlichste Position vorgestoßen, die je ein deutsches Schiff ereichte.

H.-D. Kühn
Zehn Jahre VS PROSPEKTA